Der bundesweite Vorlesetag dient der Verbesserung der Lesefähigkeit, insbesondere von Kindern aus bildungsfernen Haushalten. Wie uns Filme wie Michel Devilles »La lectrice« (1988) oder Stephen Daldrys »Der Vorleser« (2009) zeigen, ist das laute Vorlesen eine Kulturtechnik, die uns gelegentlich in die Abgründe sozialer Interaktion führen, aber eben auch einzigartige, magische Momente erzeugen kann. Es ist eine Form des Lesens, die mehr ist als nur die Vorstufe zum ›richtigen‹, ernsthaften Lesen.
Die Reihe “Wie wir lesen” hat sich zum Ziel gesetzt, die vielfältigen Facetten des Lesens — gestern, heute, morgen — aus Sicht gänzlich unterschiedlicher Disziplinen zu beleuchten.
Wie werden Lesende in der bildenden Kunst dargestellt?
Schrift in bildender Kunst ↗
Von ägyptischen Schreibern zu lesenden Madonnen
»Oft wird gefragt, warum der Islam so abbildscheu sei. Doch gerade das Christentum wurde besonders bildfreundlich. Dabei spielten Porträts mit Büchern eine große Rolle. Insbesondere Maria wurde bei der Verkündigung oft als Leserin dargestellt, eine nicht in der Bibel überlieferte Szene, die Frauenbildung förderte. Ein kurzer Überblick über Schrift in Kunst aus vielen Kulturkreisen und Beispiele aus Ägypten, Griechenland und Rom leiten Betrachtungen von Werken von Fra Angelico bis Vermeer ein.«
Werner Sollors im Interview
Wie verändert sich das Lesen in der digitalen Kultur und wie sollten die Geisteswissenschaften darauf reagieren?
Mythos Lesen ↗
Buchkultur und Geisteswissenschaften im Informationszeitalter
»Das Buch provoziert Fragen: Was genau erfasst der Ausdruck Geisteswissenschaften, und inwiefern eignet er sich für die Erschließung von Krisendiskursen? Was sind eigentlich digitale Medien, die hier wahlweise das Smartphone, Zoom, YouTube, Facebook oder digitale Methoden bezeichnen? Braucht es in Deutschland Public Humanities? Benesch fordert eine stärkere Auseinandersetzung der Geisteswissenschaften mit sich selbst.«
Anne Sprung, H-Soz-Kult, 13.08.2021
Wie inszenieren sich Lesende und Vorleser*innen in professionellen Kontexten wie Universität, Medien und Theater?
Szenen des Lesens ↗
Schauplätze einer gesellschaftlichen Selbstverständigung
Viele beschwören das Lesen als unverzichtbare Kulturtechnik – aber was wissen wir eigentlich über diese soziale Praxis? In der Gegenwart kann man das Lesen in vielen Kontexten beobachten, die dieser Essay zu exemplarischen »Szenen« arrangiert: Wird schnell oder langsam, einsam oder gemeinsam gelesen? Suchen wir in Lektüren Neues oder Bekanntes; füllen wir Wissensspeicher oder überlassen uns dem Eigensinn von Textwelten? Und worin besteht für wen die Lust am Lesen? Julika Griem erprobt, wie sich Lesemotive, -fähigkeiten und -technologien zwischen Instagram und Proseminar, Bibliotherapie und Blinkist als soziale Anordnungen so beschreiben lassen, dass eingespielte Bewertungsmuster hinterfragt werden.
Was sagen Philosoph*innen zum Lesen und wie wichtig ist das Lesen für die Philosophie?
Warum liest Maria, und welche Rolle spielen Bücher in der Religion?
Beeinflusst Architektur unser Lesen, oder lesen wir vielleicht nur, weil und seit es bequeme Lesemöbel gibt?
Diesen und anderen Fragen gehen die Autor*innen der Reihe in insgesamt 10 Kurzessays nach. So unterschiedlich die einzelnen Beiträge sind — was sie verbindet, ist das Wissen um die Bedeutung des Lesens als eine Kulturtechnik, die aus den meisten Lebensbereichen nicht mehr wegzudenken ist.
Allen Unkenrufen zum Trotz: lesen werden wir wohl auch in Zukunft, auch wenn sich die Art und Weise ›wie wir lesen‹ — ebenso wie unser Leben selbst — wohl fundamental verändern wird.
Der vierte Band der Reihe – erhältlich voraussichtlich ab April 2022:
Buch und Bild – Schrift und Zeichnung ↗
Schreiben und Lesen in der Kunst des 20. Jahrhunderts
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts reflektieren Schriftsteller*innen und Intellektuelle die Bedeutung des Lesens für Bildung und Erkenntnisfähigkeit. Ebenso präsent ist der Abgesang des Buches. Man verdammt es als Symbol bürgerlichen Müßiggangs oder betrauert den Verlust von Kultur schlechthin. Parallel zu diesem Diskurs finden Schriftzüge, Wörter oder Buchstaben Eingang in die bildende Kunst. Cathrin Klingsöhr-Leroy betrachtet Werke u.a. von Paul Klee, Else Lasker-Schüler, Henri Michaux sowie Joseph Beuys und stellt fest: Schrift ist hier nicht nur künstlerisches Element, sondern auch melancholische Erinnerung an ein vergangenes Zeitalter des Buches und der Literatur.