Auf den 8. März als endgültiges Datum der heute als Feministischer Kampftag bekannten Proteste einigte man sich spätestens 1921, nachdem kommunistische Frauenproteste in Russland mit den Anstoß zur Oktoberrevolution gaben.
Während des Nationalsozialismus verboten, in der DDR offizieller Feiertag, dabei aber rasch zum alternativen Muttertag umfunktioniert, an dem es Dankbarkeitsbekundungen, Rosensträuße und Vergünstigungen gab, gewann das Datum erst in den 1970ern wieder Aufmerksamkeit, als die Vereinten Nationen ihn offiziell zum Internationalen Frauentag erklärten.
Mit dem aufkommenden Neoliberalismus ist eine Kommerzialisierung und Kapitalisierung der feministischen Bewegung zu verzeichnen. Die inhaltliche Lücke zwischen den vielfältigen Protesten gegen geschlechtsspezifische Gewalt, Bevormundung in der reproduktiven Selbstbestimmung und für radikale Gleichberechtigung aller Geschlechter vor dem Gesetz und im Arbeitssektor auf der einen und dem heutigen Verständnis des »Frauentags« seitens der Mainstream-Gesellschaft auf der anderen Seite ist kaum noch zu übersehen.
Neoliberale Entwicklungen verschleiern die doppelte Verwertung der weiblichen Arbeitskraft in der Produktion (Lohnarbeit) und Reproduktion (Care-Arbeit) und erwarten von Frauen einen schier unmöglichen Spagat zwischen verschiedenen Bereichen. Sie zementieren postfeministisches Denken, demzufolge die Gleichberechtigung der Geschlechter durch den Eintritt weiblicher Führungskräfte in Chefetagen und Politik bereits erreicht sei, was die Notwendigkeit feministischer Kämpfe abwertet.
Auch die Bezeichnung »Weltfrauentag« gerät vermehrt in die Kritik, insbesondere durch queerfeministische Bewegungen. Von feministischen Forderungen und Protesten müssen all jene Personen(gruppen) profitieren, die unter patriarchalen und queerfeindlichen Strukturen sowie unter männlicher Hegemonie leiden.
Diese Stimmen fordern die Solidarität mit sämtlichen marginalisierten Gruppen und eine radikale Kritik an trans- und queerfeindlichen sowie rassistischen Positionen: Feminismus funktioniert nur ohne Exklusion.
Auch unsere Autor*innen analysieren die Persistenzen und den Wandel der Geschlechterverhältnisse aus vielfältigen Perspektiven und stellen Gender als einen zentralen Schauplatz des globalen Rechtspopulismus heraus. Sie zeigen, dass die prekäre Stellung von Sorgearbeit – nicht nur zu Pandemie-Zeiten – einer gesellschaftskritischen Analyse unterzogen werden muss und die Notwendigkeit ihrer guten Ausgestaltung für ein gelingendes soziales und ökologisches Miteinander. Sie formulieren eine Kritik an der Geschlechterbinarität aus queertheoretischer Perspektive und loten intersektionale Allianzen und Forschungsvorhaben aus.
Wir freuen uns, Ihnen heute unsere Empfehlungen zum internationalen feministischen Kampftag zu präsentieren – ein Großteil davon ist im Open Access frei verfügbar.
Alexandra Scheele / Julia Roth / Heidemarie Winkel (eds.)
Global Contestations of Gender Rights ↗
Across the globe, a growing number of social movements, such as demonstrations in support of equal civil status or reproductive freedom and against sexualized violence, show that women’s and gender rights are highly contested. Against the backdrop of a long history of unequal rights implementation, the contributors to this volume deal with the questions of why and in which ways gender equality has become contested in various political contexts. Local case studies examine the relevant structural, institutional, and socio-cultural causes of the global challenges to equality. This book follows an interdisciplinary approach and unites scholars from law, linguistics, cultural studies, history, social sciences, and gender studies in diverse contexts.
Hannah Fitsch / Inka Greusing / Ina Kerner / Hanna Meißner / Aline Oloff (Hg.)
Der Welt eine neue Wirklichkeit geben ↗
Feministische und queertheoretische Interventionen
Auch nach Jahrzehnten von Aktivismus und Forschung gilt: Die (Geschlechter-)Verhältnisse im Feld des Politischen und auf der Ebene der kollektiven Weltdeutung sind nach wie vor von Ungleichheiten dominiert. Die Beitragenden zeigen auf, dass die feministische Kritik im Moment des Einwands bereits Möglichkeiten entfaltet, diese Verhältnisse neu zu denken. Ob im Widerspruch gegen die hegemoniale Zuweisung eines bestimmten Ortes, einer gesellschaftlichen Position oder einer vermeintlichen »Natur« – die feministische Kritik entwirft stets auch emanzipatorische Visionen eines solidarischen Zusammenlebens: Sie gibt der Welt eine neue Wirklichkeit.
bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe / Nivedita Prasad (Hg.)
Geschlechtsspezifische Gewalt in Zeiten der Digitalisierung ↗
Formen und Interventionsstrategien
Grundlegende Analysen und Handlungsempfehlungen zum Phänomen der digitalen Gewalt gegen Frauen aus juristischer, technischer und aktivistischer Perspektive.
»Das Buch […] verdeutlicht, dass eine Unterscheidung zwischen analoger und digitaler Gewalt – wie z.B. bei Stalking – keinen Sinn macht und plädiert dafür, geschlechtsspezifische Gewalt in Debatten zu Digitalisierung zu inkludieren, ebenso die Digitalisierung von Gewalt in Debatten um geschlechtsspezifische Gewalt.«
Die Herausgeber*innen
Michael Klipphahn-Karge / Ann-Kathrin Koster / Sara Morais dos Santos Bruss (Hg.)
Queere KI ↗
Zum Coming-out smarter Maschinen
Maschinelle Verfahren diversifizieren, hacken und feministisch deuten – ein interdisziplinäres Konzept für eine queere künstliche Intelligenz.
»KI hält ubiquitären Einzug in nahezu alle Lebensbereiche – oftmals wird dieser Befund von einer pessimistischen Grundstimmung begleitet. Parallel wird smarte Technik als Möglichkeit begriffen, utopistische und diverse Weltentwürfe ins Spiel zu bringen. Auf Basis dieser Polarität im Umgang mit KI stellen sich vermeintlich alte Fragen der Geschlechterforschung aufs Neue: Welche Diskriminierungen und bestehenden Machtverhältnisse werden qua Technik perpetuiert und wie ist eine intersektionale Machtkritik formulierbar?«
Die Herausgeber*innen
Kathrin Ganz / Jette Hausotter
Intersektionale Sozialforschung ↗
Wie geht intersektionale Sozialforschung? Dieses Handbuch erklärt das Forschen mit der intersektionalen Mehrebenenanalyse Schritt für Schritt.
»Im Buch wird nicht nur ein umfassender qualitativer Ansatz zur Analyse sozialer Ungleichheit vorgestellt, sondern auch ein Werkzeug, um partizipativ Kritik an Herrschaftsverhältnissen zu üben und Wege aufzuzeigen, diese zu überwinden.«
Andreas Schulz, GENDER, 1 (2022)
Annette Henninger / Ursula Birsl (Hg.)
Antifeminismen ↗
›Krisen‹-Diskurse mit gesellschaftsspaltendem Potential?
Der organisierte Antifeminismus ist ein strategisch-politisches Projekt – dem man durchaus erfolgreich entgegentreten kann!
»Es ist eine Stärke des Bandes, dass ein Kontinuum von Antifeminismus, Postfeminismus und Feminismus entwickelt wird.«
Heike Mauer, Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung, 1/2 (2021)
Solidarische Care-Ökonomie ↗
Revolutionäre Realpolitik für Care und Klima
Care Revolution eröffnet einen politischen Weg in eine solidarische und nachhaltige Gesellschaft, in deren Zentrum die Sorge für unsere Mit- und Umwelt steht.
»Die Aktionen der Klimabewegung und auch die Debatten über die untragbaren Zustände in der Alten- und Krankenpflege haben viele Menschen aufgerüttelt. Ein grundlegendes Umsteuern ist erforderlich. Entsprechend ist politisches Handeln notwendig, das mehr Zeit für Care-Arbeit schafft und das permanente Wachstum in der Güterproduktion infrage stellt.«
Gabriele Winker
Sonja A. Strube / Rita Perintfalvi / Raphaela Hemet / Miriam Metze / Cicek Sahbaz (Hg.)
Anti-Genderismus in Europa ↗
Allianzen von Rechtspopulismus und religiösem Fundamentalismus. Mobilisierung – Vernetzung – Transformation
Demokratiegefährdung durch strategischen Anti-Genderismus – wie man Rechtspopulismus und Fundamentalismus konstruktiv entgegentreten kann.
»Anti-Genderismus schlägt sich als Hatespeech im Netz nieder, bestimmt aber auch das Regierungshandeln illiberal, autokratisch oder rechtspopulistisch regierter Staaten. Er stellt letztlich das Konzept menschenrechtsbasierter Demokratie grundlegend infrage.«
Die Herausgeberinnen
Anna Artwinska / Janine Schulze-Fellmann (Hg.)
Gender Studies im Dialog ↗
Transnationale und transdisziplinäre Perspektiven
Wie sind die Entwicklungen der Gender Studies vor dem Hintergrund ihrer Historie zu verstehen? Die Beiträger*innen des Bandes diskutieren diese Frage in drei thematischen Blöcken: Biografische Reflexionen treffen auf politische, künstlerische sowie wissenschaftliche Interventionen und stellen so das Potential der Disziplin heraus. Die einzelnen Beiträge entsprechen Schlaglichtern, die sowohl Dis- als auch Kontinuitäten der Diskurse beleuchten. Die dadurch entstehenden Synergieeffekte bestätigen die Notwendigkeit eines entgrenzenden Dialogs im Fach, transdisziplinär wie transnational.
Max Nicolai Appenroth / María do Mar Castro Varela (eds.)
Trans Health ↗
International Perspectives on Care for Trans Communities
Around the world trans and gender diverse people are marginalized and discriminated against in medical, psychological, and nursing care. This anthology is the first to address the current situation of this population in various global healthcare settings. The perspectives from 11 different countries give insight into the difficult experiences of the trans and gender diverse community when seeking healthcare, and how self-organized community structures can help to overcome barriers to often inaccessible public healthcare systems. The majority of contributions are written from a lived trans and gender diverse perspective.
Care trans_formieren ↗
Eine ethnographische Studie zu trans und nicht-binärer Sorgearbeit
»Care muss jenseits von Zweigeschlechtlichkeit gedacht und praktiziert werden; und Annahmen von Gender und Für_Sorge komplexer gedacht werden.«
Francis Seeck