Die Konferenz behandelt unter anderem folgende Fragen: Wo steht die Flucht- und Flüchtlingsforschung nach den Fluchtereignissen in Europa von 2015 und dem folgenden Boom des Forschungsfeldes? Welche Erkenntnisse haben wir gewonnen, welche Desiderate haben sich ergeben? Welchen Beitrag kann die Flucht- und Flüchtlingsforschung zu einem kritischen Verständnis ihres Gegenstands beitragen?
Die Themen FLUCHT und MIGRATION bilden wichtige Säulen auch unseres Programms über verschiedene Disziplinen hinweg, u.a. durch die Programm-Schwerpunkte Migrationspädagogik und interkulturelle Bildung und Soziologie der Migration.
Auch wir verstehen uns als editorische Plattform, die wichtige Beiträge im Feld der Fluchtforschung sichtbar macht, Migration im Kontext globaler Krisen thematisiert oder die postmigrantische Gesellschaft jenseits der Trennung von Migration und Sesshaftigkeit in den Blick nimmt.
Von unserem Engagement im Bereich Fluchtforschung, (Forced) Migration und Exil zeugen auch unsere Editionen:
- The Academy in Exile Book Series
- Forced Migration Studies Series
- Postmigrantische Studien
- migration – macht – bildung
- Interkulturalität. Studien zu Sprache, Literatur und Gesellschaft
- Jahrbuch Migration und Gesellschaft / Yearbook Migration and Society
Für die Konferenz haben wir hier eine Auswahl aktueller Titel zusammengestellt:
Deutschland und seine Flüchtlinge ↗
Das Wechselbad der Diskurse im langen Sommer der Flucht 2015
In seiner fulminanten Analyse zeigt Uwe Becker, wie die Schutzkrise der Flüchtlinge medial entsorgt wurde. Schlepper, Belastungsgrenzen, Sexmobs, gute und schlechte Flüchtlinge: Die Moral des Helfens wurde von den Narrativen eines nationalen Selbsterhaltungsdiskurses förmlich niedergewalzt. Was am Leitmedium Die Zeit empirisch belegt wird, ist zugleich ein Lehrstück in progressiver Medienkritik. Absolut lesenswert.
David Goeßmann
Samia Dinkelaker / Nikolai Huke / Olaf Tietje (Hg.)
Nach der »Willkommenskultur« ↗
Geflüchtete zwischen umkämpfter Teilhabe und zivilgesellschaftlicher Solidarität
Die 2015 einsetzende »Willkommenskultur« in Deutschland wird vielen Aktiven als Sternstunde zivilgesellschaftlichen Engagements im Gedächtnis bleiben. Zugleich war und ist die Teilhabe von Geflüchteten umkämpft und es fallen viele rassistische Übergriffe und Anschläge in die Zeit nach dem »Sommer der Migration«. Die Beiträger*innen des Bandes liefern auf Grundlage von über 160 Interviews mit Geflüchteten, zivilgesellschaftlichen Organisationen und staatlichen Stellen eine reflektierte Bestandsaufnahme und Interpretation dieser Phase. Ihr empirisch differenzierter und vielschichtiger Überblick bietet theoretische Impulse zu Debatten um Mikropolitiken des Engagements, Solidarität und ein alltagszentriertes Demokratieverständnis.
Der »Dschungel von Calais« ↗
Über das Leben in einem Flüchtlingslager
Wie sieht das Leben im Flüchtlingslager in Calais – dem »Dschungel« – aus? Michel Agier und seine Kollegen liefern einen Einblick in das dortige Leben und dessen Beziehung zur globalen Flüchtlingskrise.
Die postmigrantische Gesellschaft ↗
Ein Versprechen der pluralen Demokratie
Naika Foroutan zeigt, dass die Migrationsfrage zur neuen sozialen Frage geworden ist – an ihr werden Verteilungsgerechtigkeit und kulturelle Selbstbeschreibung ebenso wie die demokratische Verfasstheit verhandelt.
Das Buch fragt, was passiert, wenn es nicht mehr darum geht, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist, sondern die Frage in den Vordergrund tritt, wie dieses Einwanderungsland nach der Migration gestaltet wird und welche Konflikte dies mit sich bringt? Wer darf mitsprechen? Wer wird gehört? Was wird ausgehandelt?
Naika Foroutan
Carolin Küppers / Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (Hg.)
Refugees & Queers ↗
Forschung und Bildung an der Schnittstelle von LSBTTIQ, Fluchtmigration und Emanzipationspolitiken
Verfolgung aufgrund marginalisierter sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität ist in der BRD ein anerkannter Asylgrund. Mindestens fünf Prozent der derzeit einreisenden Geflüchteten sind lesbisch, schwul, bisexuell, trans*, intergeschlechtlich oder queer – kurz LSBTTIQ-Geflüchtete. Sie sind in der BRD mit spezifischen Formen von Diskriminierungen konfrontiert, wodurch in der LSBTTIQ-Community einerseits ein zunehmendes Bewusstsein über Flucht und Migration und das Bedürfnis, sich politisch und unterstützend einzubringen, entsteht. Andererseits werden mit aktuell verstärkten Migrationsbewegungen auch Sorgen um emanzipatorische Errungenschaften laut, die zum Teil jedoch in rassistische Zuschreibungen abgleiten.
Europa als Grenze ↗
Eine Ethnographie der Grenzschutz-Agentur Frontex
Mit der Europäischen Grenz- und Küstenwachagentur Frontex hat die Europäische Union erstmalig eine uniformierte und bewaffnete Polizeieinheit geschaffen. Bernd Kasparek legt eine detaillierte Analyse der Entstehung und Entwicklung der Agentur vor. Dabei wird deutlich, dass das Regieren der Grenze und der Migration gleichzeitig die Frage nach dem Regieren Europas bedeutet
Auszeichnung
Antonio-Gramsci-Preis 2021
Vera Axyonova / Florian Kohstall / Carola Richter (eds.)
Academics in Exile ↗
Networks, Knowledge Exchange and New Forms of Internationalization
Restrictions on academic freedom, persecution and armed conflict have forced many scholars into exile. So far, the professional trajectories of these scholars and their contributions to knowledge exchange have not been studied comprehensively. The contributors to this volume address the situations and networks of scholars in exile, the challenges they face in their host countries and the opportunities they use.
Sonja Buckel / Laura Graf / Judith Kopp /
Neva Löw / Maximilian Pichl (Hg.)
Kämpfe um Migrationspolitik seit 2015↗
Zur Transformation des europäischen Migrationsregimes
Die migrantische Mobilität im Sommer 2015 hat die europäische Flüchtlingspolitik auf den Kopf gestellt. Rechte und konservative Kräfte wurden bestärkt, aber auch die Solidaritätserfahrungen hallen immer noch nach. Wie steht es nun um die Kämpfe der Migration? Welche Kräfte haben sich durchgesetzt und welche Verschiebungen haben sich diskursiv und politisch ergeben? Und was bedeutet dies für emanzipatorische, pro-migrantische Perspektiven? Die Forschungsgruppe »Beyond Summer 15« diskutiert diese Transformation des Migrationsregimes und zeigt u.a. in den Bereichen Recht, öffentliche Debatten, zivilgesellschaftliche Interventionen und Arbeitsmarkt auf, wie um Migration gerungen wird.
Living in Refuge ↗
Ritualization and Religiosity in a Christian and a Muslim Palestinian Refugee Camp in Lebanon
The book clearly illustrates and deconstructs how religion, nation politics, identity, and belonging can be integrated into the daily life of Palestinian refugees in Lebanon. This is a must read for anyone interested in gaining a deep insight into Palestinian lives in refuge in Lebanon.
Dawn Chatty, University of Oxford
Julia Devlin /Tanja Evers/ Simon Goebel (Hg.)
Praktiken der (Im-)Mobilisierung ↗
Lager, Sammelunterkünfte und Ankerzentren im Kontext von Asylregimen
Wegen seiner empirischen Einblicke in die aktuelle Forschung und dank der reflektierten theoretisch-methodischen Herangehensweise an die sehr vernachlässigte Lagerforschung ist der Band wegweisend.
Florian Wagner, H-Soz-Kult, 2022
Flucht als Überlebensstrategie ↗
Ideen für eine zukünftige Fluchtforschung
Die öffentlichen Bilder und Diskurse über die jüngsten Fluchtmigrationsbewegungen lösen im Kontext des europäischen Grenzregimes eine Art moralische Panik aus. Im Gegensatz dazu plädiert Frauke Schacht für eine Denkhaltung, aus der Menschen als handelnde Personen, als Expert*innen ihres eigenen Lebens in Erscheinung treten. Damit liefert sie eine konzeptionelle Idee für eine zukünftige Forschung zum Thema Flucht, die die Perspektive der Flüchtenden ins Zentrum stellt.
Wir brauchen einen Perspektivwechsel in der Gesellschaft, der nicht mehr die Menschen selbst skandalisiert, problematisiert oder untersucht, sondern die Ursachen und Strukturen, die dazu führen, dass Menschen auf das ›Flüchtlingsdasein‹ reduziert werden.
Frauke Schacht
From Shelters to Dwellings ↗
The Zaatari Refugee Camp
In this fascinating study, Ayham Dalal explores how refugee camps are planned, constructed, lived, and then transformed by residents. It is a richly illustrated, engagingly written account that takes seriously the idea of refugees as architects who can transform and appropriate their own homes. Dalal’s book offers a fresh perspective on camps and is based on an impressive, granular research: a rare example of a detailed ethnographic and architectural study of emergency shelter.
Tom Scott-Smith, University of Oxford
Vanessa Agnew / Kader Konuk / Jane O. Newman (eds.)
Refugee Routes ↗
Telling, Looking, Protesting, Redressing
The displaced are often rendered silent and invisible as they journey in search of refuge. Drawing on historical and contemporary examples from Turkey, the Ottoman Empire, Iraq, Syria, UK, Germany, France, the Balkan Peninsula, US, Canada, Australia, and Kenya, the contributions to this volume draw attention to refugees, asylum seekers, exiles, and forced migrants as individual subjects with memories, hopes, needs, rights, and a prospective place in collective memory. The book’s wide-ranging theoretical, literary, artistic, and autobiographical contributions appeal to scholarly and lay readers who share concerns about the fate of the displaced in relation to the emplaced in this age of mass mobility.