
Fred Luks
beschäftigt sich seit langem in Forschung, Lehre und Management mit Nachhaltigkeit und Transformation.
Er hat zu diesem Themenbereich zahlreiche Publikationen vorgelegt, darunter die Bücher »Ausnahmezustand« (2018) und »Hoffnung« (2020). Er bloggt unter www.fredluks.com.

Dieser Text ist die Kurzfassung eines Beitrags aus der Buchpublikation »Die Corona-Gesellschaft. Analysen zur Lage und Perspektiven für die Zukunft«, herausgegeben von Michael Volkmer und Karin Werner, die im Juli 2020 erschienen ist.
Nachdem in Deutschland 2019 noch 70 Jahre Grundgesetz und die dort verbrieften Freiheitsrechte gefeiert wurden, konnte man jetzt staunend zusehen, wie eben diese Rechte gesundheitspolitisch suspendiert wurden. Das kann ebenso irritieren wie die grassierenden Verschwörungstheorien, das ökonomische Desaster und die Erwartungen, die mit der Krisensituation verbunden sind.
In dieser Lage ist Hoffnung nicht nur möglich – sie ist dringend nötig, wenn aus der Lage etwas Gutes gemacht werden soll. Dass man eine gute Krise nicht verschwenden soll, kann man auch in Zeiten der Corona-Krise oft hören. Gelingen wird das nur, wenn man Hoffnung hat. Pessimismus gebiert schlechte Laune und Aussichtslosigkeit, aber keine guten Ideen. Für Pessimisten zeigt Corona je nach Geschmack das Ende der Welt, die tiefe Wahrheit von Verschwörungstheorien oder die Verlogenheit der Eliten.
Ob Optimismus angemessener und produktiver ist, erscheint fraglich. Zumal Menschen, die den Umbau der Gesellschaft herbeisehnen, sehen die Krise als Chance für Klimaschutz, Achtsamkeit und Entschleunigung. Sehr beliebt ist auch die Auffassung, nun seien Globalisierung und Neoliberalismus am Ende. Diesmal wirklich! Diese Krise, so hört man, sei eine Chance, ein Weckruf, eine Gelegenheit: Jetzt wird alles gut. Schon bald, wird uns versichert, werden Regionalisierung, Nachhaltigkeit und Resilienz um sich greifen. Dieser Optimismus ist genauso »faul« wie Pessimismus. Wo die Pessimistin passiv bleibt, weil ja ohnehin alles schlecht wird, tut der Optimist nichts, weil gewiss alles gut wird. Hoffnung dagegen ist eine aktivistische Haltung. Echte Hoffnung ist nicht naiv, sondern fragend, tastend, zweifelnd und kritisch. Und Kritik ist dringend erforderlich, wenn aus dieser Krise etwas Gutes gemacht werden soll.
Eine große Veränderung durch Corona lässt sich schon heute diagnostizieren: Dass Politik in einer globalisierten Welt handlungsunfähig ist, hat sich in geradezu dramatischer Weise als falsch erwiesen. Noch mehr: Es hat sich auch gezeigt, dass Politik auf Wissenschaft hören und auf dieser Basis tiefe Eingriffe in Gesellschaft und Wirtschaft vornehmen kann. Nicht zuletzt diese Beobachtung hat einen Optimismus befeuert, der hier ein zukünftiges Modell für die Nachhaltigkeits- und Klimapolitik sieht.
In der Tat kann man eine erstaunliche Ähnlichkeit zwischen den Forderungen der Klimabewegung und dem Verlauf der Corona-Krise beobachten: Dass die Politik sich an der Wissenschaft orientieren und auf dieser Grundlage endlich handeln soll, gehört zu den zentralen Forderungen nicht nur von Fridays for Future. Hier vom Corona-Krisenmanagement zu lernen, heißt siegen lernen – so muss man manche Wortmeldung aus dem Lager der Optimisten wohl deuten. Bei genauem Hinsehen erweist sich, dass hier in mehrfacher Hinsicht ein Denkfehler vorliegt.
Denn die Corona-Krise hat nicht nur die Chancen, sondern auch die Risiken wissenschaftsbasierter Politikinterventionen deutlich gezeigt. In frappanter Weise wurde hier selektiv vorgegangen – denn die politischen Akteure schienen vollkommen im Bann bestimmter naturwissenschaftlicher Expertise zu stehen. Trotz massiver Auswirkungen der getroffenen Maßnahmen auf unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen und ökonomische Funktionszusammenhänge dominierten Virologen und Medizinerinnen das Feld, während soziologisches, pädagogisches und wirtschaftswissenschaftliches Wissen deutlich unterrepräsentiert wirkte.
Davon nicht unabhängig war und ist ein anderes Phänomen zu beobachten, dass ebenfalls Parallelen zwischen Corona und Klima deutlich macht: Hier wie dort wurde und wird mit Angst Politik gemacht. Der Hinweis, dass Abwägungsprozesse unausweichlich sind und das Leben nun mal lebensgefährlich ist, wurde im Diskurs über die Corona-Krise nicht selten als krude Menschenfeindlichkeit denunziert. Angstpolitik und das Absolutsetzen des Lebensschutzes haben im Verein mit der skizzierten Monodisziplinarität zu Maßnahmen geführt, die kein Modell für die Klimapolitik oder andere zukunftsgerichtete Prozesse sein können.
Bei allem Respekt vor den Schwierigkeiten eines angemessenen Corona-Krisenmanagements und im vollen Bewusstsein der Relevanz des Präventionsparadoxons darf man sagen: Die psychischen Bedürfnisse junger Menschen, die Würde alter Menschen, die sozialen Nöte von Alleinerziehenden und Arbeitslosen, die Gender-Dimension der Krise und der ökonomische Absturz von Millionen von Menschen wurden von der Politik offenbar durchaus gering geschätzt. Hoffnung für die Zukunft kann es nur geben, wenn aus diesen Mängeln gelernt wird. Hoffen heißt, vermeintlichen Alternativlosigkeiten plausible Alternativen entgegenzusetzen.