Integrierte Stadtentwicklung
Fachliche Probleme benötigen fachliche Lösungen. Das ist zunächst die Herangehensweise einer in Ämtern oder Fachbereichen strukturierten Verwaltung. Das Schulamt ist für die Sicherstellung von ausreichend Schulen verantwortlich und steuert dies langfristig durch einen Schulentwicklungsplan. Das Kulturamt kümmert sich um die öffentlichen Kultureinrichtungen und unterstützt Soziokultur sowie Kulturwirtschaft, was auf dem Kulturentwicklungsplan beruht. In den Jugend- und Sozialämtern gibt es unterschiedliche Fachpläne zur Ausrichtung der einzelnen staatlichen Hilfen. Und in den Umwelt- und Grünämtern werden Klimawandelkonzepte, Energie- und Klimaschutzkonzepte, Gründachstrategien und vieles mehr erarbeitet.
Diese Konzepte werden in der Regel als Fachplanungen bezeichnet, die auf Grundlage fachspezifischer Methodik und gegebenenfalls einschlägiger Fachgesetze erarbeitet werden. Allein in Leipzig wurden insgesamt über 100 Fachplanungen und -berichte gezählt.
Auch bei den im engeren Sinne städtebaulichen und flächenbezogenen Konzepten gibt es solche fachlichen Planungen, die oft als sektorale Stadtentwicklungspläne bezeichnet werden. Üblich sind in den Städten Einzelhandels-, Wohnungsbau- oder Wirtschaftsflächenkonzepte. Diese werden typischerweise in Stadtplanungs- oder Stadtentwicklungsämtern erarbeitet, beziehen sich in der Regel auf den Siedlungskörper und haben einen engen Bezug zu den formellen Planungsinstrumente des Baugesetzbuches. Eine der Hauptaufgaben ist die Konkretisierung der Flächennutzungsplanung durch räumliche und zeitliche Prioritäten der Flächeninanspruchnahme. Dabei werden Ziele, Maßnahmen und Handlungsräume entwickelt und priorisiert.

Integrierte Stadtentwicklungsplanung ↗
Konzepte – Methoden – Beispiele
Integrierte Stadtentwicklung bezeichnet einen fach- und akteursübergreifenden Ansatz in der Stadtplanung. Er ist nicht nur ein Schlüsselprinzip in der »Neuen Leipzig Charta«, sondern spiegelt auch die Erwartung zahlreicher zivilgesellschaftlicher Akteur*innen wider. Doch die kommunale Planungspraxis der Städte unterscheidet sich deutlich voneinander. Stefan Heinig bietet Stadtplaner*innen, kommunalen Praktiker*innen anderer Fachdisziplinen sowie zivilgesellschaftlichen Akteur*innen einen Überblick, wie Kommunen Stadtentwicklungsprozesse partizipativ steuern und Stadtentwicklungsplanung strategisch einsetzen können. Dazu beleuchtet er systematisch die methodischen Ansätze und Konzepte und veranschaulicht sie mit Schaubildern und anhand kommunaler Beispiele aus Leipzig und anderen Großstädten.
In unserem Alltagserleben wird jedoch deutlich, dass rein fachlich ausgerichtete Strategien oft zu kurz greifen. Die Funktionsfähigkeit einer Sekundarschule hat auch viel mit der ÖPNV-Erschließung und dem sozialen Umfeld des Stadtteils zu tun. Die Wohnbauflächenentwicklung muss natürlich verzahnt werden mit den verschiedenen Infrastrukturen der Stadt, von Schulen und Kindertagesstätten über die Mobilität bis hin zu Wasser und Energie. Ebenso ist der Blick auf die soziale Situation und die Wohnstandortwahl der Menschen erforderlich. Dabei spielt die Ebene des Stadtteils oder Quartiers eine wichtige Rolle.
Digitalisierung, Klimawandel, Demographiefestigkeit, Segregation und Gentrifizierung lassen sich nur sehr begrenzt und wenig effektiv durch fachliche oder ämterbezogene Planungen und Projekte bearbeiten. Integrierte Stadtentwicklungsplanung oder -politik ist die Methodik, die deshalb zunehmend zur Anwendung kommt. Manchmal werden dafür auch die Begriffe integrierende oder integrative Stadtentwicklung verwendet, die deutlicher auf das Prozesshafte der Integration hinweisen.
Auch die Leipzig Charta, die 2007 von den für Stadtentwicklung zuständigen Ministern der Europäischen Union beschlossen, hat integrierte Stadtentwicklung als ein Kernprinzip aufgegriffen.
Dabei werden drei Ebenen von Integration in der Stadtentwicklung unterschieden:
- Fachliche Integration: Isolierte fachliche Einzelinteressen sollen die Entwicklung der Städte nicht mehr dominieren, sondern untereinander gerecht abgewogen werden. Durch frühzeitiges fachübergreifendes Agieren können zahlreiche Zielkonflikte reduziert, Lösungen verbessert und Synergien hergestellt werden.
- Integration von Akteuren: Integrierte Stadtentwicklung ist ein öffentlicher Prozess, in den Bürger, Politik und Verwaltung, Wirtschaft und gesellschaftliche Organisationen einbezogen werden und in dem sie sich engagieren können.
- Mehrebenenintegration: In der europäischen Diskussion wird mit der ›multilevel governance‹ häufig noch eine Integration von Programmen und Politiken auf den verschiedenen staatlichen Ebenen angesprochen, von der Kommune über Regionen und Länder bis hin zum Nationalstaat und der EU.
Bei Planung und Steuerung integrierter Stadtentwicklung sind entsprechend dieser Ebenen Produkt und Prozess gleich wichtig. Für das Produkt, zum Beispiel ein integriertes Stadtentwicklungskonzept, müssen die verschiedenen fachlichen und räumlichen Belange mit einer geeigneten Methodik zusammengeführt werden. Dabei gilt es, Konflikte zu erkennen sowie Synergien herauszuarbeiten.
Dieses Zusammenführen und Herausarbeiten ist heute nur zu einem Teil eine Aufgabe der fachlichen Methodik und Expertise. Zu einem anderen Teil ist es ein Prozess des Interessenmanagements, also das Transparentmachen, Zusammenführen und Abwägen unterschiedlicher fachlicher und akteursbezogener Interessen. Dazu sind verwaltungsinterne fachübergreifende Arbeitsstrukturen ebenso erforderlich wie ein Beteiligungsprozess der verschiedenen stadtgesellschaftlichen Interessengruppen. Beide Ebenen müssen von vornherein gemeinsam geplant werden, damit sie ineinandergreifen und stadtgesellschaftliche Interessen und Bedarfe in der verwaltungsinternen Diskussion aufgegriffen werden können.