Henning Mohr / Diana Modarressi-Tehrani (Hg.)

Museen der Zukunft
Trends und Herausforderungen eines innovationsorientierten Kulturmanagements

»Das Buch »Museen der Zukunft« ist ein wichtiger Reader für alle, die sich den neuen Herausforderungen stellen wollen, die der gesellschaftliche Wandel für die Kulturinstitutionen mit sich bringt.«

Anke von Heyl, www.ankevonheyl.de, 05.01.2022

Dimensionen des Digitalen

Wie viele andere Kultureinrichtungen sehen sich die Museen in Deutschland wie in Österreich mit einer nochmals beschleunigten Digitalisierung aller Lebensbereiche gegenüber. Größere Häuser waren sicherlich im Vorteil, wenn sie bereits vor dem Ausbruch de Pandemie über eine Digitalstrategie verfügten, um ihre Artefakte auch im virtuellen Raum zu präsentieren. Sie konnten sich auf die Professionalisierung fokussieren und darauf, wie es gelingen kann, auch alltägliche Museumsarbeit jenseits klassischer Online-Führungs-Formate in neue digitale Formate zu übersetzen. Sie erprobten neue Technologien und beschäftigten sich allenfalls auch mit Fragen der Technologiegerechtigkeit. Vor allem kleinere Häuser hingegen machten in diesen Tagen oftmals ihre ersten Schritte in die digitale Welt: Kompetenzen in der Medienproduktion wurden aktiviert und erweitert und die Ergebnisse unmittelbar auf verschiedenen Social-Media-Kanälen ausprobiert. Dafür galt es zunächst eine technische Basisausstattung zu schaffen und sich mit anachronistischen Datenschutzvorgaben ihrer Träger herumzuschlagen.

Es bedarf wenig Phantasie, um davon auszugehen, dass die rapiden Digitalisierungsfortschritte die Beziehungen zwischen Museumsobjekten und ihren Rezipient*innen nachhaltig verändern werden. Die Digitalisierung steht nach wie vor in vielen Museen am Anfang und seit der Pandemie wird sehr deutlich, dass diese Aufgabe nicht weiter als »Low-Budget-Unternehmen« in einer Art »Selbsthilfegruppe« angegangen werden kann, wie es die langjährige Geschäftsführerin des Museumsverband Sachsen-Anhalt e.V. Susanne Kopp-Sievers formulierte.

Es spricht vieles dafür, die Digitalkompetenz in Museen systematischer und vernetzter auszubauen, wie das etwa in Baden-Württemberg durch die Schaffung von neuen Stellen für Digitalmanager*innen an Landesmuseen verwirklicht wurde (vgl. Land Baden-Württemberg 2020). So manche der bestehenden digitalen Defizite verweisen auch auf mehr als starre Strukturen vieler Museen: Bislang weigern sich die meisten Museumsleitungen, Digitalisierung hinreichend in ihre Managementstrukturen einzubeziehen. Jüngste Studien zu digitalen Führungsstrategien belegen eindrucksvoll,
dass die jüngsten Entwicklungen im Bereich »Cultural Leadership« noch nicht hinreichend antizipiert wurden und damit die Führungsstrukturen vieler Museen zum Teil noch sehr traditionellen Modellen folgen.


Dimensionen des Ökologischen

Im Moment richtet die Pandemie die Aufmerksamkeit auf die potenzielle Lebensgefahr für Menschen, die von der physischen Teilnahme an kulturellen Aktivitäten ausgeht. Umweltthemen kommt hingegen wieder weniger öffentliche Aufmerksamkeit zu – trotz der durchaus vorhandenen Verbindungen zwischen ökologischer Krise und Pandemie. Aber auch der Kulturbetrieb wird über kurz oder lang nicht an einer intensiveren Befassung mit dem globalen, sozialen wie individuellen Überleben herumkommen.
Es kommt nicht von ungefähr, dass gerade die Museen, die bereits vor der Krise nicht an vorderster Front im Wettbewerb um möglichst hohe Quoten gestanden sind, früher erkannt haben, dass ihnen eine diesbezügliche Vorbildwirkung zukommen sollte. So fragte der Direktor des Wiener Museums für angewandte Kunst Christoph Thun-Hohenstein, ob das Zeigen einiger weniger global herumgereichter Originale nach wie vor die zentrale Aufgabe von Museen sein sollte. Oder aber die gemeinsame Beschäftigung mit zukunftsrelevanten Problemstellungen wie Klimapolitik oder der Zukunft der Arbeit.

In Deutschland ist bis dato das Naturkundemuseum federführend in Fragen einer zeitgemäßen Vermittlung von Nachhaltigkeit. 2019 lud Direktor Johannes Vogel die vor seinem Haus im Rahmen von Fridays for Future demonstrierenden Schüler*innen immer wieder persönlich im Anschluss zu den Demos zu gemeinsamen Workshops mit Forscher*innen ins Museum ein. Darauf hin entstand der Slogan »Für Natur« unter dem
das Museum als weltweit vernetzte Forschungsinstitution eine aktive Rolle »nicht nur als Bewahrer des Wissens, sondern auch als Vermittler, Berater und Aktivator« einnimmt (Museum für Naturkunde). Es wundert nicht, dass angesichts der Fülle an zu bewältigenden Transformationsthemen die »Global Goals«, 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, die 2015 von den Vereinten Nationen vorgestellt wurden, erst langsam in der Museumswelt ankommen. ICOM Österreich startete Anfang 2021 gemeinsam mit dem Büro für Transfer und mit Unterstützung des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport eine österreichweite Initiative mit 17 Museen unterschiedlicher Größe.