Jochen Zenthöfer, geb. 1977, ist freier Journalist und berichtet seit vielen Jahren in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) über Wissenschaftsplagiate. Er wurde in Berlin zum Richter ausgebildet und in Potsdam promoviert, war Redenschreiber für den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, Prokurist eines Softwareunternehmens in Freiburg und Vorstand einer Aktiengesellschaft nahe München.

Schwarze Schafe erzeugten zwar viel öffentliche Aufmerksamkeit. Doch der Großteil der Doktorandinnen und Doktoranden arbeitet nach wissenschaftlichen Standards. Ziel muss sein, dass dies so bleibt, und die Zahl der schwarzen Schafe sinkt.

In den vergangenen Jahren sind viele Vorschläge dazu gemacht worden. Die aus meiner Sicht sinnvollsten und erfolgversprechenden Ideen habe ich hier zusammengetragen. Unberücksichtigt bleiben fachspezifische Anregungen beispielsweise für Chemie und Medizin. Auch ganz allgemeine Forderungen, etwa nach einer besseren Finanzierung des Hochschulsystems, habe ich weggelassen. Zwar hat die Zahl der Plagiate auch mit Geldnot der Universitäten zu tun, weil dadurch Betreuung und Kontrolle nachlasen. Aber kurz- und mittelfristig können andere Maßnahmen eine ebenso große Wirkung bei der Bekämpfung von Täuschungen entfalten.

Wer plagiiert, täuscht; wer viel plagiiert, täuscht vorsätzlich. Die Hauptverantwortung für Wissenschaftsbetrug liegt bei den Doktorandinnen und Doktoranden selbst. Zum einen gibt es zu viele davon, gemessen an der Gesamtbevölkerung mehr als in jedem anderen Land der Welt; zum anderen sind manche nicht geschult in guter wissenschaftlicher Praxis. Umfragen zeigen, dass sich viele Doktoranden überfordert fühlen. Zwar ist es gut, dass in Deutschland viel geforscht wird. Doch viele Vorhaben sind, bei Lichte betrachtet, wissenschaftlich unerquicklich. Der Doktorgrad sollte am besten nur von jenen angestrebt werden, die eine wissenschaftliche Karriere planen.

Jochen Zenthöfer

Plagiate in der Wissenschaft
Wie »VroniPlag Wiki« Betrug in Doktorarbeiten aufdeckt

»Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten erschüttern seit einigen Jahren die Öffentlichkeit. Leider wird oft nur über die Fälle von Prominenten, meist Politiker*innen wie Karl-Theodor zu Guttenberg, Franziska Giffey oder Xavier Bettel, berichtet. Dabei treten Plagiate bei Wissenschaftler*innen viel häufiger auf. Das Buch beschreibt, wie Plagiate von der Plattform ›VroniPlag Wiki‹ gefunden und dokumentiert werden. Anders als oft vermutet, ist Plagiatssoftware dabei übrigens keine große Hilfe.«

Jochen Zenthöfer

Die Verantwortung der Hochschulen

a) Übt gute wissenschaftliche Praxis ein!
»Die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis müssen Studierenden bereits zu Beginn ihres Studiums vermittelt werden.« Mit dieser so einfachen wie wahren Feststellung beginnen die Empfehlungen einer Konferenz zum Thema »Plagiatsfälle in der Wissenschaft« der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2011. »Ziel sollte sein, dass die Absolventen und Absolventinnen über das notwendige Bewusstsein und die erforderlichen Fähigkeiten einer guten wissenschaftlichen Praxis verfügen. Die Hochschulen haben die Aufgabe, die Studiengänge entsprechend zu strukturieren, klare Regeln guter wissenschaftlicher Praxis offensiv zu kommunizieren und die Mitglieder auf ihre Einhaltung zu verpflichten.«
Dabei darf es mit einer einmaligen Veranstaltung zu Studienbeginn nicht getan sein. In einem Aufsatz aus dem Jahr 2015 fordern Denis Basak, Lars Gußen, Manuel Köchel, Marc Reiß, Roland Schimmel und Christine Schliwa »ein Lernen in Schleifen oder konzentrischen Kreisen« (Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft, 263-285). »Im Sinne eines constructive alignment müssten [dabei] schon zu Beginn des Studiums Hausarbeiten geschrieben werden, weil es sonst an jeder Form fehlt, den Leistungsstand bezüglich wissenschaftlicher Arbeitstechniken zu prüfen. Schließlich müsste rechtzeitig der sich im weiteren Verlauf des Studiums wandelnde Anspruch deutlich gemacht werden: Wer die ersten Pflichthausarbeiten hinter sich hat, darf nicht mehr auf die anfängliche Nachsicht zählen.«

b) Veröffentlicht die Gutachten zu Doktorarbeiten!
Gutachten zu Doktorarbeiten sollten veröffentlicht werden, damit sie hinterfragt werden können. Dies würde auch dazu führen, dass die Gutachten hochwertiger werden und die Korrektur der Dissertationen
an Qualität gewinnt.

c) Stärkt Eure Ombudspersonen!
Die Ombudspersonen für gute wissenschaftliche Praxis an den Hochschulen sollten aktiv die Qualitätssicherung voranbringen. Sie benötigen Personal, Ausstattung und politische Unterstützung innerhalb der Institution. An einigen Hochschulen, wie in Göttingen, ist das schon gut gelungen.

d) Achtet auf Qualität statt Quantität!
Die Berufungskommissionen der Hochschulen sollten nicht mehr nach Quantität urteilen, wenn sie eine Kandidatin oder einen Kandidaten beurteilen, sondern nach Qualität. Daher sollten nur die fünf besten Arbeiten ausgesucht und beurteilt werden, nicht die Gesamtanzahl der Publikationen. Dies fördert qualitative Forschung und verhindert ein Aufblasen von Veröffentlichungslisten durch Zweitverwertungen, Nonsenspapiere und Plagiate.

e) Formalisiert die Annahmeprozeduren für Doktoranden!
Jede Annahme eines Doktoranden oder einer Doktorandin sollte nachvollziehbar begründet sein. Dazu braucht es ein Aufnahmeverfahren, das nicht formalisiert und bürokratisch, aber fakultätsöffentlich und transparent ist. Bei Abschluss dieses Verfahrens wird die promovierende Person in die Statistik aufgenommen, die an die Landesregierung gemeldet wird. Individualpromotionen sollten weiterhin möglich sein.

f) Beruft Zweitgutachter aus anderen Universitäten!
Mindestens ein Gutachter der Arbeit sollte aus einer anderen Universität stammen. Das verhindert Patronage und Kungelei. Um gleichzeitig der ausufernden unentgeltlichen Gutachtertätigkeit entgegenzuwirken, sollte die Arbeit entlohnt werden. Dafür wäre auch eine Gebühr für das Promotionsstudium zulässig. In sozialen Härtefällen müssten Universitäten oder Stiftungen die Kosten übernehmen.

g) Verpflichtet zur digitalen Einreichung!
Promovierende sollten verpflichtet werden, eine digitale Version ihrer Arbeit bei der Universität einzureichen. Das kann helfen, Plagiate zu erkennen und händische oder automatisierte Prüfungen durchzuführen. An vielen Universitäten ist das bereits Pflicht oder Praxis; aber nicht an allen.

h) Informiert über Gradentzüge!
Über jeden Entzug eines Doktorgrades müssen die Hochschulen öffentlich berichten. Das ist datenschutzrechtlich zulässig. Es bedarf einer Pressemitteilung und eines Hinweises im Bibliothekskatalog, damit der Hochschulschriftenvermerk geändert wird. Zudem muss die Hochschule auch die Deutsche Nationalbibliothek und die fünf deutschen Verbundkataloge informieren. Hierzu kann ein einheitliches Meldeverfahren entwickelt werden, an dem auch die Schweiz und Österreich beteiligt sein sollten. Zuletzt sollten auch die Verlage informiert werden, in denen plagiatsbehaftete Arbeiten erschienen sind.

i) Informiert über Noten!
Die Hochschulen sollten verpflichtet werden, die erteilten Zensuren, zumindest in aggregierter Form, jährlich mitzuteilen. Dadurch ließe sich die Notenvergabe an den einzelnen Hochschulen in Deutschland vergleichen.

j) Bietet Alternativen an!
Um zu verhindern, dass etwa Juristinnen und Juristen statt in Deutschland eine Dissertation vorzulegen, im Ausland einen kostspieligen Master (LL.M. etc.) anstreben, sollten die Hochschulen neue Masterstudiengänge anbieten. Diese können die Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit im Curriculum enthalten.