Seit Jahrtausenden bestatten die Menschen ihre Toten auf Friedhöfen, in vielen Regionen der Welt gelten Friedhöfe noch heute als heilige Orte. Dabei erfüllen sie als Gedenkstätten, Grünanlagen oder Touristenattraktionen überraschend vielfältige gesellschaftliche Funktionen. Um auf die Bedeutung des Kulturguts Friedhof aufmerksam zu machen, wird vom 17. bis 18. September unter dem Motto »In Gedenken – in Gedanken« der Tag des Friedhofs begangen.
Tatsächlich ist dieser keinesfalls so bedrückend, wie es zunächst klingen mag. Seitdem er im Jahr 2001 unter anderem von Friedhofsgärtner*innen, Bestatter*innen, Florist*innen, religiösen Vereinigungen und Kommunen gemeinsam ins Leben gerufen wurde, dient er dazu, den Menschen die Lebendigkeit von Friedhöfen bewusst zu machen. Ziel ist es, Jung und Alt mit dem Friedhof nicht nur als Ort der Trauer, sondern auch der Ruhe, des Muts und der Hoffnung in Berührung zu bringen.
Auch der allgemeine Umgang mit Tod und Trauer soll durch den Tag des Friedhofs in den Mittelpunkt gerückt werden. Aktionen wie Friedhofsrundgänge, Lesungen und Filmvorführungen sind diesbezüglich gleichermaßen eine Einladung zur Reflexion über gesellschaftliche und persönliche Fragen: Was ist nötig, um die Würde des Menschen über den Tod hinaus zu gewährleisten? Wie lassen sich existierende Tabus rund um das Thema Tod allmählich überwinden? Wie möchte ich selbst Verstorbenen in meinem Umfeld gedenken?
Ob Todesstatistiken, künstlerische Darstellung des Todes oder das Dasein Hinterbliebener – bei transcript werden unterschiedlichste Aspekte des Sterbens in den Blick genommen. Unser Programm beinhaltet wissenschaftliche Analysen aus Disziplinen wie Soziologie, Kultur- und Medienwissenschaft, die wertvolle Zugänge zu Tod und Trauer bieten.
Hier stellen wir einige dieser Werke, die ab November diesen Jahres erscheinen, vor:
Institutionalisierter Tod ↗
Die Kultur- und Sozialgeschichte der Berliner Leichenhäuser im 19. Jahrhundert
Die Feststellung des Todes ist nicht unbedingt trivial und die Angst vor dem Begraben scheintoter Menschen hat Mitte des 18. Jahrhunderts ganz Europa verunsichert. Leichenhäuser sollten Abhilfe schaffen und eine Absicherung bei der Unterscheidung zwischen Leben und Tod gewährleisten. Die erste Einrichtung dieser Art in Berlin wurde 1794 etabliert. Nina Kreibig arbeitet die Kultur- und Sozialgeschichte der neuen Institutionen auf und analysiert systematisch ihren Umgang mit und die Bewertung von Verstorbenen im Berlin des 19. Jahrhundert.
Nina Kreibig / Thomas Macho / Moisés Prieto (Hg.)
Ordnungen des Todes ↗
Von Listen, Statistiken und Dunkelziffern über das Sterben und die Verstorbenen
Ob Opfer von Genoziden, Attentaten, häuslicher Gewalt, Unfällen oder Naturkatastrophen: Listen sind nie »unschuldig«, sondern verfolgen immer bestimmte Absichten. Register suggerieren Kontrolle, sind aber auch Machtinstrumente. Listen von Verstorbenen dokumentieren gesellschaftliches Handeln und erzählen eine eigene Geschichte des Todes. Die Beiträger*innen untersuchen von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart Zählungen von Gefallenen oder Verstorbenen in kolonialen Kontexten, Unfallstatistiken, Todeslisten in der NS-Zeit, Suizide in der DDR sowie Todesfälle von Geflüchteten. Ihre Analysen fokussieren dabei die Hintergründe und Motivationen der Urheber*innen und liefern damit einen erhellenden Einblick in die Macht der Statistik.
Daniel Schönefeld / Wolfgang von Gahlen-Hoops (Hg.)
Soziale Ordnungen des Sterbens ↗
Theorie, Methodik und Einblicke in die Vergänglichkeit
Sterben ist eines der großen Rätsel der Menschheit. Aus medizinischer Sicht handelt es sich dabei um ein sich schrittweise vollziehendes Organversagen. Die Psychologie betrachtet es als einen seelischen Verarbeitungsprozess. Sterben ist aber auch ein soziales Phänomen: Wir sprechen darüber, betrachten es auf Bildern, regulieren und organisieren es. Der sozialwissenschaftliche Blick auf das Sterben ist bisher nur wenigen bekannt. Die Beiträger*innen des Bandes zeigen theoretisch und empirisch die sozialen Ordnungen des Sterbens auf und eröffnen dabei neue Perspektiven zur Diskussion und Erforschung dieses besonderen Phänomens.
Sterben, Tod und Jenseits in der graphischen Literatur ↗
Schlüsselbildanalysen in Bilderbüchern und Graphic Novels
Die Medienlandschaft behandelt täglich die Motive Sterben, Tod und Jenseits. Bilderbücher und Graphic Novels stehen bei diesen Themen meist nicht im Fokus, doch die Anzahl an entsprechenden Veröffentlichungen steigt stetig. Welche Bilder nutzen sie zur Darstellung der komplexen Thematik? Wie wird die größtenteils junge Zielgruppe dabei berücksichtigt? Birte Svea Philippi zeigt anhand einer quantitativen Erhebung sowie qualitativ an Fallbeispielen, welche gemeinsamen Bildideen die Autor*innen von Bilderbüchern und Graphic Novels aufgreifen. Mit ihrem kunstpädagogischen Ansatz fokussiert sie auf Mittel, Motive und Metaphern, die zur Ansprache von Kindern und Jugendlichen genutzt werden.
Oliver Auge / Laura Potzuweit (Hg.)
Witwerschaft ↗
Der einsame Mann in Geschichte, Literatur und Film
Die männliche Witwerschaft bildet trotz der in den letzten Jahrzehnten gestiegenen Lebenserwartung und einer starken Präsenz in Film und Literatur bis heute ein epochen- und disziplinenübergreifendes Desiderat. Die Beiträger*innen widmen sich diesem Thema erstmals mit einer grundlegenden Betrachtung aus historischer Perspektive. Mit transdisziplinären Verbindungen zu den Literatur- und Filmwissenschaften untersuchen sie die Kulturgeschichte des Witwers vom Alten Ägypten bis ins 20. Jahrhundert. Neben epochenspezifischen Untersuchungen und einem Schwerpunkt auf fürstlicher Witwerschaft werden auch weitere Personengruppen sowie künstlerisch-literarische Reflexionen vorgestellt.