Alles so schön bunt hier – Die Omnipräsenz von Design
»Alles ist Design« – mit dieser Aussage betitelte die Bundeskunsthalle 2016 ihre Bauhaus-Ausstellung. Je nach Lesart weckt die These entweder Unbehagen oder Affirmation, knüpft sie doch – trotz oder gerade wegen ihrer Undifferenziertheit – an unsere Alltagserfahrungen an: Ob Marken-Sneaker, Möbelhaus-Sofa, Coffee Mug, High End Smartphone, Kugelschreiber, Türklinke oder Health App – unsere Welt ist voll von intentional gestalteten, materiellen wie immateriellen Designprodukten.
Das Thema Design hat sich zu einem wichtigen Bestandteil unseres Lifestyles entwickelt. Abseits von designwissenschaftlichen Auseinandersetzungen wird im Web und insbesondere auf Social-Media-Plattformen wie TikTok und Instagram eifrig gepostet und mitunter kontrovers diskutiert, ob nun 2000er Minimalismus, Scandinavian Design, Mid-Century Style oder Postmodernismus den zunächst unhintergehbaren State of the Art darstellen. Dabei gerät die politische Dimension von Design und ihr potentiell transformativer, gesellschaftsverändernder und ermächtigender Charakter ins Hintertreffen, fokussiert der öffentliche Diskurs doch zu häufig lediglich auf die Warenästhetik und Produktwelt.
Gesellschaftliche Krisen – neue Themenfelder und Lösungsansätze
In der heutigen Zeit stehen wir vor vielen globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, soziale Ungleichheit, Geschlechterungerechtigkeit, demografischer Wandel und technologischem Fortschritt. In Anbetracht der allseits postulierten Krisen rückt die emanzipatorische und transformative Kraft von Architektur und Design stärker in den Fokus. Innovative Gestaltungsansätze bieten Werkzeuge, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen und nachhaltige, soziale und ökonomische Transformationen zu gestalten. In diesem Zusammenhang geraten Forschungs- und Praxisfelder wie Stadtplanung, Verkehrswende, Wohnen, Umwelt, Architektur des öffentlichen Raumes, Inklusions-Design, Gender Design und Social Design seit einigen Jahren wieder stärker in den Blick. Die Fragen nach den sozialen, gesellschaftlichen und politischen Implikationen von Gestaltung und Architektur sind dabei nicht neu. Soziale Auswirkungen von Gestaltungsprozessen spielten bereits im Kontext von Social Design, das an Gemeinwohl, Partizipation, Demokratie und Nachhaltigkeit orientiert ist, eine prominente Rolle.
Social Design als Paradigma wird heute zunehmend vom Transformationsdesign abgelöst bzw. erweitert. Transformative Design geht weit über bisherige Ansätze hinaus, denn es ist mit dem Ziel verbunden, den Menschen, die Gesellschaft an sich und unsere grundlegenden Gestaltungsprozesse zu transformieren.
In unserem Programm ↗ finden innovative Publikationen einen editorischen Ort, die nicht nur danach fragen, wie Gestaltung in Zukunft aussehen wird, sondern die vielmehr Ansätze und Lösungsstrategien entwickeln, wie wir als Individuen und Gesellschaft die Zukunft selbst nachhaltig, inklusiv und sozial gerecht gestalten können. Die Umgestaltung des Lebens selbst wird abseits von flüchtigen Designtrends und Konsumismus-Ideologien in diesem Programmbereich auf Ihre Zukunftsfähigkeit hin ausgelotet.
Aktuelle Publikation »Design und Transformation« von Markus Caspers
Markus Caspers, Professor für Design und Medien an der Hochschule Neu-Ulm, zeigt in seinem neuen Band »Design und Transformation. Wie wir unsere Zukunft nachhaltig gestalten« auf, inwiefern »Transformation« zu einem Schlüsselbegriff der gegenwärtigen Debatten avancierte und zeichnet Traditionslinien transformativen Designs bis in die 1920er Jahre nach. Caspers bleibt jedoch weder bei einem Blick in die Vergangenheit noch bei einer Diagnose der Gegenwart stehen. Vielmehr fragt er nach Anknüpfungspunkten und Lösungsansätzen für die Zukunft, die beispielsweise unseren Umgang mit Ressourcen betreffen.
Damit macht Caspers klar, dass transformatives Design einen wichtigen Ansatz darstellt, der weit über Fragen der Ästhetik und Design als Konsum hinausgeht.
Design und Transformation ↗
Wie wir unsere Zukunft nachhaltig gestalten
»Transformative Ansätze hat es in der Geschichte des Designs immer schon gegeben, diesen spürt das Buch nach. Die neoliberale Indienstnahme der Gestaltungspraxis als Konsumbooster ist allerdings seit langem nicht mehr hinreichend thematisiert worden. Aus diesem Dilemma heraus versucht das Buch Ansätze für ein transformatives Design in Theorie und Praxis zu entwickeln. Insbesondere die Digitalisierung stellt die Designtheorie und -praxis vor neue Herausforderungen.«
Marlus Caspers
Problem oder Teil der Lösung? Wieso Transformationsdesign für die Zukunft wichtig ist
Transformationsdesign wird weiter an Relevanz gewinnen. Es geht darum, Designprozesse und -methoden zu nutzen, um nicht nur Produkte und Dienstleistungen zu gestalten, sondern auch gesellschaftliche, ökologische und globale Herausforderungen anzugehen und Veränderungen auf verschiedenen Ebenen zu bewirken. Design als wesentliches Werkzeug für die Gestaltung und Umsetzung dieser Veränderungsprozesse kann deshalb, so wie Caspers es in Bezugnahme auf Nathan Shedroff These »Design is the Problem« von 2009 auf den Punkt bringt, eben nicht nur Teil des Problems, sondern ein konstitutiver Teil der Lösung sein.
Ausgewählte Titel aus dem Programmbereich Design
Claudia Mareis / Moritz Greiner-Petter / Michael Renner (eds.)
Critical by Design? ↗
Genealogies, Practices, Positions
In its constructive and speculative nature, design has the critical potential to reshape prevalent socio-material realities. At the same time, design is inevitably normative, if not often violent, as it stabilises the past, normalises the present, and precludes just and sustainable futures. The contributions rethink concepts of critique that influence the field of design, question inherent blind spots of the discipline, and expand understandings of what critical design practices could be.
Zwischen Kontingenz und Notwendigkeit ↗
Zur Rolle des Designs in der Gesellschaft der Gegenwart
»Das Thema des Buches steht im Spannungsfeld von drei unterschiedlichen, höchst divergenten Forschungsdebatten. Als Beitrag zur Designwissenschaft öffnet das Buch einen system- und formtheoretischen Zugang zu Design, der gleichzeitig auch mögliche Anschlusspunkte zwischen systemtheoretischen, praxeologischen und relationalen Ansätzen vorstellt und auf den Diskurs einer Forschung für, über und durch Design Bezug nimmt.«
Sandra Groll
Christoph Rodatz / Pierre Smolarski (Hg.)
Wie können wir den Schaden maximieren? ↗
Gestaltung trotz Komplexität. Beiträge zu einem Public Interest Design
Die Rufe nach positiver Veränderung, nach gesellschaftlicher Transformation und bisweilen gar nach Weltrettung sind laut. Doch das Potential eines weltentwerfenden Designs wird mitunter maßlos überschätzt. Vor allem fehlt es bei aller Aufbruchstimmung an einem Korrektiv, einem Bezugspunkt, der auch die Kosten in Rechnung stellt. Unsere Antwort auf die Frage, wie sich das Wahre, Schöne und Gute zum Durchbruch bringen lässt, ist eine Frage: Wie können wir den Schaden maximieren?
Form, Funktion und Freiheit ↗
Über die ästhetisch-politische Dimension des Designs
Das Verhältnis von Design und Demokratie ist nicht nur eine Sache der effizienten, transparenten oder partizipativen Gestaltung politischer Institutionen und ihrer Prozesse. Design muss vielmehr in seiner Wechselwirkung mit der für die Demokratie konstitutiven Kultur der Freiheit bestimmt werden. Felix Kosok legt dar, wie sich die Verhandlung der politischen Dimension des Designs auf eine grundsätzliche Ebene verlagert: Dem Design selbst kommt eine politische Bedeutung zu, die von seiner ästhetischen Dimension nicht zu trennen ist. In der produktiven Freiheit zu den Zwecken zeigt sich die prinzipielle Gestaltbarkeit der Dinge, die von einer kritischen Theorie des Designs bewusst gehalten werden muss.
Christoph Rodatz / Pierre Smolarski (Hg.)
Was ist Public Interest Design? ↗
Beiträge zur Gestaltung öffentlicher Interessen
Das Designfeld ist im Umbruch. Sowohl die Theorie als auch die Praxis suchen ›neue‹ Betätigungsfelder und streben nach einem anderen Selbstverständnis. Man will politisches Design machen, will als Akteur gesellschaftlicher Veränderungen wahrgenommen werden, zuweilen wohl gar die neue Leitdisziplin des urbanen Wandels werden. Unter einem erweiterten Designbegriff stellt sich daher die Frage: Was heißt es, im Sinne eines öffentlichen Interesses zu gestalten? Und vielleicht noch mehr: Was heißt es, das öffentliche Interesse selbst zu gestalten? Die Beiträge des Bandes gehen dieser Frage nach und zeigen: Ein solcher Anspruch ist eine Anmaßung – ob es eine wohltuende Anmaßung ist, hängt in erster Linie von der kritischen Hinterfragung der Grundidee ab.
Marius Förster / Saskia Hebert / Mona Hofmann / Wolfgang Jonas (Hg.)
Un/Certain Futures – Rollen des Designs in gesellschaftlichen Transformationsprozessen ↗
Welche Rolle spielt Design in gesellschaftlichen Transformationsprozessen? Können Zukünfte und soziale Wirklichkeiten nachhaltig gestaltet werden – oder handelt es sich bei den Wirkungen gestalterischer Eingriffe um mehr oder weniger zufällige Reaktionen eigensinnig evolvierender sozialer Systeme auf gut gemeinte Interventionen? Wie wäre das »Bessere« zu definieren, besonders im Kontext von Nachhaltigkeit und der Debatte um eine notwendige »Große Transformation«?
Claudia Banz (Hg.)
Social Design ↗
Gestalten für die Transformation der Gesellschaft
»Das Buch bietet auch einer breiteren Leserschaft einen verständlichen Überblick, und, wichtiger noch, einen spielerischen Einblick in die Welt und das Selbstverständnis des Social Design.«
Dominik Zahrnt, Ökologisches Wirtschaften
Claudia Mareis / Matthias Held / Gesche Joost (Hg.)
Wer gestaltet die Gestaltung? ↗
Praxis, Theorie und Geschichte des partizipatorischen Designs
Das Interesse an einer gleichberechtigten Teilhabe im Design hat von den 1960er-Jahren bis in die Gegenwart zu einer Reihe produktiver Gestaltungspraktiken und Theorien geführt. Heute stellt sich jedoch die Frage, ob das Leitbild der partizipatorischen Gestaltung nicht auf einem idealisierenden Verständnis von Demokratie und sozialer Beteiligung gründet.