Am 29. April, dem Internationalen Tag des Tanzes, soll die Botschaft vom Tanz als universeller Sprache und globalem Phänomen, das Verbindungen schaffen und gesellschaftliche Grenzen auflösen kann, vermittelt werden.
Das International Theatre Institute ITI schreibt auf seiner Website: »This day is a celebration day and acts as a wake-up-call for governments, politicians and institutions which have not yet recognised its value to the people and to the individual.«

Der tanzende Körper kann durch seine emotional vermittelnde Figuration eine konstitutive Ebene des Protests erlangen – Tanz hat von Grund auf eine politische Funktion.
Eine der prägendsten Bewegungen, die sich tanzend gegen die Unterdrückung wehrt, ist »One Billion Rising«. Mit choreographischen Interventionen soll auf die Gewalt gegen FLINTA* aufmerksam gemacht werden und so im öffentlichen Raum protestiert werden. In ihrem Buch Tanzen als Widerstand beschreibt Kristina Stein-Hinrichsen die solidarische und gemeinschaftliche Funktion des Tanzes, die bei sozial-politischen Bewegungen für politischen Widerstand genutzt wird.

So zeigt auch die aktuelle Lage im Iran, wie die verbindende Funktion des Tanzes vom Regime als Widerstand gewertet wird. Um jegliche Form des Protestes und des Zusammenkommens der Frauen in der Öffentlichkeit zu unterdrücken, können Frauen, die tanzen, mit einer Gefängnisstrafe verurteilt werden.
In Glocal Bodies. Dancers in Exile and Politics of Place analysiert Elaheh Hatami den Tanz im kulturellen Kontext des Irans und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Exil.

Wer mehr zu tänzerisch-politischen Bewegungen oder zur interdisziplinären Tanzwissenschaft im Allgemeinen erfahren möchte, findet in unserer Reihe TanzScripte passende Bücher zu Formen, Tänzen und kulturellen Hintergründen der performativen Kunst. Die Reihe dokumentiert Tanz als Bewegungskultur, in der sich Praktiken der Formung des Körpers, seiner Inszenierung und seiner Repräsentation in besonderer Weise zeigen, und reflektiert seine soziale, ästhetische und mediale Dimension.

Zum heutigen Welttanztag geben wir hier einen Überblick über einige unserer Titel aus den Tanzwissenschaften.



Isa Wortelkamp (Hg.)

Tanz in Bildern
Plurale Konstellationen der Fotografie

Eine Fotografie »tanzt« selten allein. Tanz-, foto- und archivtheoretische Perspektiven auf plurale Konstellationen der Tanzfotografie.

»Der/die Leser:in [wird] auf eine Reise durch die Tanzhistorie genommen und erhält durch die unterschiedlichen Blickwinkel und Herangehensweise der Autor:innen interessante Denkansätze.«

UP TO DANCE, 4 (2022)

Kristina Stein-Hinrichsen

Tanzen als Widerstand
»One Billion Rising« und choreographische Interventionen im öffentlichen Raum

Können über Tanz feministische Gegen-Öffentlichkeiten hergestellt werden? Eine kulturvergleichende Studie zur körperlichen Dimension von Protest.

»Tanzen verbindet man im Allgemeinen eher mit dem Ästhetischen als mit dem Politischen.
Seit 2013 demonstrieren nun zivilgesellschaftliche Akteur*innen weltweit am 14. Februar gegen Gewalt an Frauen. Dabei wird auch eine kollektive politische Handlungskraft tanzender Frauen ›in-Szene-gesetzt‹. Tanz ist erstmalig Mittel und Botschaft einer globalen Bewegung.«

Kristina Stein-Heinrichsen

Elaheh Hatami

Glocal Bodies
Dancers in Exile and Politics of Place: A Critical Study of Contemporary Iranian Dance

This book is a critical study of Iranian dance and the works of Iranian-American female dancers in exile. Focusing on the study of contemporary Iranian dance through analysis of the choreographies of three female dancers in diaspora (namely Aisan Hoss, Shahrzad Khorsandi, and Banafsheh Sayyad), this research is among the first of its kind. Elaheh Hatami investigates the transformation of professional Iranian dance and discusses the role of relocation and displacement in its performance. She argues that Iranian dance and Iranian female dancers have always been in exile – not only in a physical sense, but also in the metaphorical sense of ›exile‹ implying foreignness, exclusion, and marginalization.

Sevi Bayraktar / Mariama Diagne / Yvonne Hardt / Sabine Karoß / Jutta Krauß (Hg.)

Tanzen/Teilen – Sharing/Dancing
Jahrbuch TanzForschung 2021

Im Teilen verbirgt sich eine Doppelbedeutung: mitteilen und teilhaben, aber auch zerteilen, Differenzen erfahren. Welche Bedeutung hat das Teilen für die tänzerische Praxis? Welche Formen des Tanzes treten dabei hervor? Und welche Zugänge des Teilens wurden in Online-Formaten entwickelt? Pandemien und Kriege verdeutlichen, wie Gesellschaften mit eingeschränktem körperlichem Miteinander und verringertem Bewegungsradius starre Formen des Teilens aufzeigen. Die Beitragenden des Bandes betrachten Ausschlusspraktiken und untersuchen das Teilen aus intersektionalen Perspektiven, um (Un-)Möglichkeiten des In-Kontakt-Tretens von Kunstschaffenden, Forschenden und Zuschauenden zu entwerfen.

Martina Ruhsam

Moving Matter: Nicht-menschliche Körper in zeitgenössischen Choreografien

In experimentellen Choreografien und Performances ist seit etwa 2008 eine lebhafte Auseinandersetzung mit der Wirkmächtigkeit (teil-)autonomer Dinge und der Verwobenheit menschlicher und nicht-menschlicher Akteure zu beobachten. Welche Anliegen sind mit der Inszenierung einer verteilten Handlungsmacht verknüpft? In ausführlichen Inszenierungsanalysen macht Martina Ruhsam die Akteur-Netzwerk-Theorie und den Agentiellen Realismus von Karen Barad für die Performancetheorie produktiv. Sie schlägt eine politische Lesart ausgewählter posthumanistischer Choreografien vor und reflektiert über deren Relevanz im Hinblick auf eine politische Ökologie.